Legende & Geschichte

Die Propstei St. Gerold kann auf eine rund 1000-jährige, wechselvolle Geschichte zurückblicken.
Das Klösterlein hat im Laufe der Jahrhunderte Brandschatzungen, Zeiten materieller Entbehrung
und des Zerfalls wie auch Enteignungen überstanden.

Initiative und innovative Pröpste haben jedoch durch kluge Verwaltung die materiellen Güter des Klosters
immer wieder vermehrt und gesichert und auch die spirituelle Ausstrahlung der Propstei gestärkt
und zu neuer Blüte geführt.

Heute zeigt sich die Propstei St. Gerold als eine weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte
und geschätzte Perle benediktinischer Kultur und Gastfreundschaft.

Gerold und Bär von Hugo Imfeld
Gerold und Bär von Hugo Imfeld

Die Gerolds-Legende ...

...aus dem Jahre 1484 erzählt, dass Kaiser Otto I. mit einem seiner Landsleute besonders große Mühe hatte. Es geht um den Adeligen Adam. Er war sehr vermögend und verfügte über große Gebiete an Land in Feldkirch, sowie in Bludenz. Doch dies war nicht der alleinige Grund, seinen adeligen Kontrahenten zu missachten. Otto wurde damals in Aachen, am 7. August 936, zum König gekrönt. Heinrich, sein jüngerer Bruder, erhob sich gegen ihn und wollte Otto die Königswürde streitig machen. Bei dieser Verschwörung war Adam ebenfalls involviert. Er unterstützte Heinrich und wurde so zum bitteren Widersacher des Königs. 

Kaiser Otto seinerseits machte mit seinen Feinden kurzen Prozess. Doch wie sich herausstellte, war dies mit Adam gar nicht so einfach. Adam entwischte dem König und war so vorübergehend nicht mehr auffindbar. Er begab sich in die Einsamkeit. Mit einem Esel drang er in das damals menschenleere Friesental (heute Großes Walsertal) vor. Mit Gewissheit war dies nicht die komfortabelste Methode, das unergründete Gebiet zu bereisen. 

Auch der Esel hatte seine Mühe. Eines Tages hatte das Grautier genug und blieb an Ort und Stelle stehen. Es machte keinen Schritt weiter. Da auch Adam erschöpft war, entschied er sich, genau an diesem Platz zu bleiben. Von nun an nannte er sich Gerold und führte als Eremit ein hartes und einsames Büsserleben. So kam es, dass es sich beim ersten Bewohner des Tales tatsächlich um einen politischen Flüchtling handelte. 

Eines Tages erhielt Gerold besonderen Besuch. Ein Bär, der von wilden Jägern verfolgt wurde, suchte bei ihm Zuflucht. Als die Jäger bei Gerold eintrafen, trauten sie ihren Augen kaum. Denn der gejagte Bär lag dem Einsiedler Gerold friedlich zu Füßen. Sogar die Jagdhunde haben sich dieser Gesellschaft angeschlossen und erwarteten die Jäger bereits. Übrigens: An diese Episode erinnert der köstliche Propstei-Likör „Bärentröster“. 

Dass der bärtige Einsiedler mit der Schöpfung bzw. der Natur im Einklang lebte, sprach sich schnell herum. Auch König Otto nahm dies mit großem Interesse zur Kenntnis. Der einstige Konflikt zwischen Otto und Gerold konnte nun beigelegt werden. Der König vergab ihm und die beiden schlossen Frieden. Dazu erhielt Gerold seinen ganzen Besitz an Land zurück. Doch Gerold lebte sein Eremiten-Dasein weiter und wirkte als Wohltäter. „Er bleibt, wo er ist, und er bleibt, was er ist.“


Hugo Imfeld, ein langjähriger Freund der Propstei, hat den hl. Gerold mit dem Bären eindrucksvoll in einer lebensgrossen Bronzeskulptur dargestellt.

1684 hat Bruder Fridolin Dumeisen aus dem Kloster Mariastein (CH) die Geroldslegende auf zehn große Bildtafeln gemalt. Der schöne Bildzyklus ist in der Geroldgedenkstätte zu sehen.

Unklare Anfänge

Die Quellenlage zu den Anfängen der Propstei St. Gerold ist spärlich. Urkunden über die Propsteigründung existieren nicht; diese wurden wahrscheinlich bei einem Brand der Propstei im Jahre 1311 vernichtet. Rückschlüsse auf die im Dunkeln liegende Gründungsgeschichte ermöglichen die Legende aus dem Jahre 1484, zwei Urkunden aus den Jahren 1227 und 1285 sowie die Patrozinien-Geschichte des ursprünglichen Klösterleins.

Eine zum Teil erhaltene Steinkirche und ein in diesen Bau eingemittetes Kastengrab aus romanischer Zeit deuten darauf hin, dass die Geschichte der Propstei mit einem Eremiten begonnen hat, der wohl im 11. Jahrhundert an der Stelle der heutigen Propstei gelebt hat und offensichtlich verehrt worden ist.

Urkundlich erscheint die Propstei erstmals 1227 in einem Güterverzeichnis des Stiftes Weißenau bei Ravensburg. Es wird erwähnt, dass nebst dem Propst auch sein Bruder mit seiner Frau und den drei Söhnen hier gelebt haben und diese hier auch zur Schule gegangen sind.

Im 13. Jahrhundert gelangte die Propstei St. Gerold an das Kloster Einsiedeln. 1285–1290 wirkte der erste, nachweislich aus dem Kloster Einsiedeln stammende Propst in St. Gerold.
 

Wechselvolles Mittelalter

1311 wurden bei einer Fehde zwischen zwei Adelsfamilien, die sich um die Vogteirechte über die Propstei, d.h. um die Schutzherrschaft über das Kloster stritten, Kirche, Kapelle und Propsteigebäude stark beschädigt.

Anschliessend folgte eine Zeit der Konsolidierung. Die Pröpste erwarben im 14. und 15. Jh. neue Güter und mehrten den materiellen Besitz der Propstei. Durch den Schwabenkrieg 1499 wurden die Landgüter der Propstei jedoch arg in Mitleidenschaft gezogen.

Blüte in der Neuzeit

Im 16. Jahrhundert haben die Pröpste materiell und spirituell viel in die Propstei investiert: Es wurden die Gebäulichkeiten erweitert, die Kirche sowie die Kapelle vergrößert und die Verehrung des hl. Gerold gestärkt. Zu jener Zeit erhielt die Propsteianlage ihr heutiges Gesicht.

Erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jhs. bildete sich um den Propst allmählich eine kleine klösterliche Gemeinschaft. Bis dahin lebte der Propst als Stellvertreter des Klosters Einsiedeln meist alleine mit mehreren Bediensteten für Haus und Landwirtschaft in der Propstei.

Im Frühjahr 1779 wurde die Pfarrei St. Gerold errichtet und ein Kooperator – ein Mitarbeiter des Propstes – bestimmt, der für die Seelsorge zuständig war.
 

19. und 20. Jahrhundert

1802, im Rahmen des Reichsdeputationshauptschlusses von Regensburg, hat man die Propstei dem Kloster Einsiedeln enteignet. Nach jahrzehntelangen Bemühungen gelang es Einsiedeln, die Propstei am 12. Dezember 1839 mit einem Teil der dazugehörigen Gütern zurückzukaufen.

Es folgten engagierte Jahre vor dem großen Niedergang: Man hat das Wyberhus umgebaut, das Refektorium erneuert, die Kirche restauriert und eine neue Orgel installiert. Weiter wurde eine neue Säge im Dorf erstellt, ein eigenes Elektrizitätswerk geschaffen und ein Telefonanschluss für das Tal beantragt und eingerichtet.

Mit den beiden Weltkriegen folgten jedoch Jahre des Stillstands und des allmählichen materiellen Zerfalls. Der gesamte Grundbesitz war verpachtet und die Einsiedler Patres wurden als unerwünschte Ausländer ausgewiesen. 1947 konnten einige Mitbrüder in die Propstei zurückkehren und brachten neues Leben in die halb zerfallenen Gemäuer.

Propsteianlage 1640
Propsteianlage 1640
Propsteihof in den 1950er Jahren
Propsteihof in den 1950er Jahren
Propstei St. Gerold heute
Propstei St. Gerold heute

Pater Nathanael Wirth

Am 15. September 1958 kommt Pater Nathanael Wirth nach St. Gerold. Der junge Vikar der Pfarrei Einsiedeln hat sich so verausgabt, dass er vom Abt zur Erholung nach Vorarlberg geschickt wird. Was als Erholungszeit gedacht war, dauert schließlich über fünfzig Jahre. In St. Gerold trifft Pater Nathanael eine unter den Kriegsfolgen leidende, verwahrloste Klosteranlage an. Ein paar ältere Mitbrüder pflegen hier «otium cum dignitate» – «Muße mit Würde» und zwei treue Dienerinnen, Lisa und Klementine, halten Küche, Haus und Garten in Schwung. Da der damalige Propst, Pater Iso Schlumpf, wenige Wochen später krank wird, schaut der junge Pater Nathanael dafür, «dass der Karren läuft». Nach zwei Jahren erhält er ein Schreiben des Abtes, adressiert an «Propst Pater Nathanael». Jetzt ist ihm klar, dass er nun für die Propstei verantwortlich ist.

2009 übernahm P. Kolumban Reichlin die Verantwortung für die Propstei. Er engagierte sich in der baulichen und betrieblichen Sicherung der Propstei. Die Gastronomie wurde erneuert und die Zimmerkapazität erhöht. Die Herberge und der Hof tragen seine Handschrift.

Seit August 2020 ist P. Martin Werlen der Propst von St. Gerold. Er leitet diese Oase im Team mit der Betriebsleiterin Nathalie Morscher und dem Bereichsleiter David Ganahl.

Pater Nathanael Wirth
Pater Nathanael Wirth
Bruder Rafael, Pater Nathanael
Bruder Rafael, Pater Nathanael
Ferdinand Gehr
Ferdinand Gehr
Brunnen im alten Propsteihof
Brunnen im alten Propsteihof